KULTUR - WEITERE MELDUNGEN

"Kleine Kiste voll Lebensreiz" im Nietzsche-Dokumentationszentrum

Vitrinenschau bis 29. September 2017

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Naumburg - Quelle: http://www.naumburger-tageblatt.de/27923510 ©2017

Fotografien, Ansichtskarten, Zettel, Steine, Federn, Holzstücke, Blüten oder abgebröckelter Putz liegen im Nietzsche-Dokumentationszentrum Naumburg seit Dienstag unter Glas. Es sind Fundstücke der besonderen Art, die bis zum 29. September in einer Vitrinenschau zu sehen sind. All diese Dinge hat Marjolijn van den Assem von den Nietzsche-Stätten mitgebracht, die sie weltweit seit 1979 bereist hat. Sie dienten der Künstlerin in ihrem Rotterdamer Atelier der Inspiration. Denn nachdem sie vor 37 Jahren erstmals Nietzsches autobiografische Schrift „Ecce homo“ gelesen hatte, baute sich fortan ihr künstlerisches Schaffen darauf auf, begab sie sich auf die Suche nach Nietzsches Spuren.

Als sie Ralf Eichberg, Leiter des Dokumentationszentrums, von der besonderen Sammlung erzählte und meinte, sie der Naumburger Einrichtung überlassen zu wollen, konnte er es kaum glauben und habe gesagt: „Marjolijn, du schenkst uns dein Leben.“ Ende Juni, Eichberg hatte in Rotterdam eine Ausstellung der Künstlerin im Chabot-Museum miteröffnet, legte sie „ihr Leben“ in Form einer gefüllten Kiste in seine Hände. Weil er eine solche Schenkung „nicht einfach so annehmen könne, ohne etwas zurückzugeben“, entstand die Ausstellungsidee. Dienstagabend wurde „Marjolijn van den Assem. Lebensreiz. Nietzsche-Wege und Fundstücke 1982-2016“ im Beisein der Künstlerin eröffnet.

Dabei wartete Eichberg mit einer Überraschung auf: Flankiert wird die Schau von einer aus Leihgaben bestehenden Kabinettausstellung, die Saalelandschaften präsentiert. Wie die Saale Naumburg über 1000 Jahre begleitet und die Flusslandschaft prägt, ist sie auch aus Marjolijn van den Assems Leben und Schaffen nicht mehr wegzudenken. So erklärt sich auch, dass es die von der Saale und deren Wasserlauf faszinierte Künstlerin immer wieder in Peter Drahts Pension im direkt an dem Fluss liegenden Felsenkeller zieht - so wie auch jetzt wieder für den Besuch anlässlich der Eröffnung der Schau.

An deren Konzeption und einer mehrseitigen Dokumentation über die Sammlung für die Künstlerin habe Susanne Rettenwander, die im Dokumentationszentrum ein Praktikum absolvierte, Tag und Nacht gearbeitet. „Das ist eine grandiose Arbeit“, so Eichberg. Als Kuratorin sagte die 24-Jährige über die Fundstücke, dass darin viele Ideen der Künstlerin steckten, die in Zahlen nicht anzugeben und „zutiefst persönlich“ seien, Einblicke in die Lebensmomente der Künstlerin geben und deren Schaffen zwar nicht erklären, aber es facettenreicher und vollständiger bei der Betrachtung erscheinen lasse. „So ein Geschenk habe ich noch nicht gehabt. Das ist für mich ein besonderes Ereignis in meinem Leben“, sagte eine von der Rede sichtlich gerührte Künstlerin.

Emotional ist die Schau in mehrfacher Hinsicht. So wurde Eichberg an die Anfänge des Nietzsche-Vereins erinnert, zeigt doch ein von Marjolijn van den Assem aufgenommenes Foto die alte, längst entsorgte Tür des heutigen Nietzsche-Museums mit dem Türschild „Förder- und Forschungsgemeinschaft Fr. Nietzsche e.V.“. Dieses Schild mit der Namensabkürzung, über die sich Eichberg einst geärgert habe, hatte er längst vergessen.

Außer Erinnerungen lieferte die Fundstücke-Kiste, wenn auch nicht selbst, Eichberg die Bestätigung, dass es doch noch ein Exemplar der ersten Gesamtausgabe von Nietzsches Werk gibt, die dessen Sekretär Peter Gast herausgebracht hatte, aber auf Geheiß von Nietzsches Schwester in Weißenfels vernichtet worden war. „Das ist der Beweis, dass ich mit meiner Promotion recht hatte“, so Eichberg, der untersucht hatte, wie Nietzsche zu einem philosophischen Bestsellerautor werden konnte.

Was die Schau mit dem Originalexemplar der ersten Gesamtausgabe zu tun hat? Als Eichberg die Fundstücke-Kiste in Rotterdam entgegengenommen hatte, sah er das Buch auf Marjolijn van den Assems Schreibtisch liegen, worauf er ihr gesagt habe, dass dies ein besonderer Schatz sei. Mit den Worten: „Weil es so wertvoll ist, soll es hier bleiben“, überreichte die Künstlerin Eichberg zur Vernissage das Exemplar. Es wird nicht ihre letzte Schenkung sein. „In den nächsten zehn Jahren“, sagte sie, „bringe ich jedes Jahr von meiner großen Nietzsche-Bibliothek etwas her, bis alles hier ist.“

 

© Annett Einicke E-Mail

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